Das gut versteckte Arthouse-Kino im weltberühmten Kunstzentrum Alte Baumwollspinnerei.

anemonen – Lesung und Film

anemonen dimmt das Licht und schmeißt die Kinoprojektoren an: Vorhang auf.

Während draußen der Winter klirrt, verlieren wir uns in den verwinkelten Gassen Roms, fläzen uns faul an einen Pool, kochen Kaffee in einem verwaisten Bürokomplex und geraten in einen Zauberwald. Wir trennen uns von Altlasten und richten unseren Blick nach vorne auf die Leinwand. Bei anemonen x Luru Kino wird das Kino zur Bühne und der Text zur Projektionsfläche.

Mit Texten von Nadja Schäfer und Silvana Uibel und Filmen von Ingmar Stange, Elisabeth Wilke und Nina Moog.

5€ Eintritt.

 

Kink Gong aka Laurent Jeanneau vertont CHANG – A DRAMA OF THE WILDERNESS

Der nomadische Musiker und DIY-Ethnograph Laurent Jeanneau gründete 1999 sein Aufnahmearchiv und Kompositionsprojekt Kink Gong. 1991 verließ er seine Heimat Frankreich, um allein von Kenia nach Nigeria zu reisen. Seitdem hat Jeanneau auf vielen Reisen nach Südostasien (Kambodscha, Laos, Vietnam, China und Thailand) die lokalen Musiktraditionen ethnischer Minderheiten dokumentiert, deren Kulturen von der Modernisierung bedroht sind.

Seit 1992 hat Jeanneau den Großteil seiner Forschungen in Zomia durchgeführt, einem Begriff, der sich auf das Terrain des Hochlandes bezieht, das sich von Südostasien bis nach Nordostindien erstreckt. Dieses Land war historisch außerhalb der Reichweite von Regierungsorganen und ist daher immer noch die Heimat einer großen Anzahl von Mikrokulturen von Minderheiten und etwa 100.000 marginalisierten Menschen. Es wurde als „internationales Appalachia“ bezeichnet. Jeanneau sammelt und stellt unbearbeitete Aufnahmen des vielfältigen musikalischen Erbes dieser Region in einem ständig wachsenden Ton- und Videoarchiv zusammen. Er zögert, die Musik zu dekontextualisieren und sie damit einer akademischen Untersuchung oder Kritik zu unterziehen; Ein Porträt in The Wire vom September 2015 zitiert Jeanneaus Erklärung, dass „die Aufnahmen gemacht werden, um gefühlt zu werden, nicht als primitive Musik analysiert, sondern als große Quelle von Emotionen anerkannt werden“. Auszüge seiner Erkenntnisse, die sich vor allem auf zeremonielle, spirituell orientierte Vokal- und Perkussionsmusik konzentrieren, sind auf dem Label Sublime Frequencies in Seattle sowie auf seinem eigenen Kink Gong-Imprint veröffentlicht.

Eintritt 9€, 7€ ermäßigt.

ANATOMIE EINES FALLS (franz. OmU)

Regie: Justine Triet

152 min / ab 12 Jahren

Sandra, eine deutsche Schriftstellerin, ihr französischer Ehemann Samuel und ihr Sohn Daniel leben in einem kleinen Ort in den französischen Alpen. An einem strahlenden Tag wird Samuel am Fuße ihres Chalets tot im Schnee gefunden. War es Mord? Selbstmord? Oder doch nur ein tragischer Unfall? Der Polizei erscheint Samuels plötzlicher Tod verdächtig, und Sandra wird zur Hauptverdächtigen. Es folgt ein aufreibender Indizienprozess, der nach und nach nicht nur die Umstände von Samuels Tod, sondern auch Sandras und Samuels lebhafte Beziehung im Detail seziert. Beim diesjährigen Festival von Cannes wurde Justin Triet – als dritte Frau in der Geschichte des Festivals – für ANATOMIE EINES FALLS mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Im Ringen um die Frage, was wirklich geschah, entspinnt Triet auf raffinierte Weise ein packendes Beziehungsdrama, das die Widersprüche im Privaten der harten Realität des Justizsystems gegenüberstellt. Sandra Hüller glänzt erneut mit ihrem außergewöhnlichen und höchst nuancierten Spiel und wurde in Cannes von der deutschen und internationalen Presse gefeiert.

DIE SIRENE (fars. OmU)

Regie: Sepideh Farsi

100 min / ab 12 Jahren

1980. Abadan, die Ölmetropole des Iran, steht vor der irakischen Belagerung. Der jugendliche Omid bleibt bei seinem Großvater nachdem er vergeblich versucht hat, sich als Soldat zu verpflichten. Auf seinen Streifzügen durch die Stadt trifft er auf ungewöhnliche Charaktere, die trotz des drohenden irakischen Einmarschs alle ihre Gründe haben in der Stadt zu bleiben. Darunter ist auch eine berühmte Diva und ihre Tochter Pari, in die sich Omid verliebt. Als sich die Situation verschlechtert, entdeckt und repariert er ein veraltetes Boot, einen Lanj. Bietet dieser Fund Omid die Chance, sich und alle Menschen, die ihm wichtig sind, zu retten?

CAPTAIN FAGGOTRON SAVES THE UNIVERSE (teilweise engl. mit dt. UT)

Regie: Harvey Rabbit

80 min / ab 16 Jahren

Father Gaylord versucht, als Priester seine Homosexualität zu unterdrücken – und scheitert kläglich. Währenddessen hat sein außerirdischer Ex-Lover Queen Bitch den kühnen Plan, die Erde mit kosmischen Zauber in einen queeren Planeten zu verwandeln. Superheld Captain Faggotron eilt zur Hilfe. Der große Knall, inklusive intergalaktischer Dämonenorgie, steht kurz bevor! Harvey Rabbits herrlich trashiger Fantasy-Film über die Angst vor einem queeren Planeten ist eine direkte Antwort auf den Anschlag von Orlando, das Erstarken des Rechtspopulismus in den USA, die Verfolgung von queeren Menschen in Russland und die noch immer allgegenwärtige queer-feindliche Gewalt. „Captain Faggotron Saves the Universe“ folgt dabei einer Strategie, die tief in der Geschichte queeren Überlebens verwurzelt ist: Camp ist eine Waffe des freudigen Widerstands und ein Werkzeug zur Dekonstruktion der heteronormativen Ödnis!

THE SOUND OF COLOGNE

Regie: Kristina Schippling

98 min / FSK tba


Zeitreise in das Herzland der elektronischen Musik: Eine Reise durch die Geschichte der elektronischen Musik aus Köln – von den 50er Jahren bis heute. Der Film folgt den Wurzeln der Erfindung neuer Musik vom Elektronischen Studio des WDR, Stockhausen, CAN, über Kompakt, A-Musik bis hin zur lebendigen und vielfältigen Clubszene von heute. Mit Künstler:innen wie Irmin Schmidt, Jaki Liebezeit und Holger Czukay von CAN, Mouse on Mars, Gregor Schwellenbach, Niobe, Wolfgang Voigt, Michael Mayer, Barnt, Lena Willickens, Fr. Reichert – ein hypnotisierendes Porträt einer Stadt, in der alle irgendwie miteinander verbunden sind: Direkte Inspirationslinien lassen sich über mehrere Jahrzehnte ziehen und verschiedene Musikszenen sind durch einflussreiche Clubs, Labels und Plattenläden tatsächlich eng miteinander verbunden. Ein Eintauchen in die untrennbare Beziehung zwischen elektronischer Musik und Kölns Klangwelt und Architektur.

KRÄHEN – DIE NATUR BEOBACHTET UNS

Regie: Martin Schilt

90 min / ab 0 Jahren

Rabenvögel sind die einzigen Tiere, die uns Menschen seit Tausenden von Jahren beobachten und studieren und die Fähigkeit haben, dieses Wissen an ihre Nachkommen weiterzugeben. Kein Tier weiss mehr über uns zu berichten als Raben und Krähen. Sie sind unsere schwarzen Chronisten. Krähen und Raben begleiten und beobachten uns seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte. Sie haben unsere ersten Schritte im aufrechten Gang gesehen und unsere ersten artikulierten Laute gehört. Sie haben mit uns neue Kontinente erobert und all unsere Kriege und Schlachten erlebt. Sie feiern mit uns Hochzeiten, ernähren sich von den Überresten romantischer Picknicks und wilder Partys und machen sich auf den Müllhalden der Megacities oder als Begleiter der Müllabfuhr über unseren Abfall her. Krähen und Raben folgen uns weil wir die besten Jäger, die grausamsten Krieger, die größten Ausbeuter, die verschwenderischsten Konsumenten sind. In unserer Nähe gibt es immer genug zu fressen. Fast überall, wo Menschen leben, gibt es auch Rabenvögel. Und es werden immer mehr!

Luru Archive 35mm: DER SCHLITZER (dt. Fassung, It 1980)

Regie: Ruggero Deadato

91 min / ab 18 Jahren

“It’s bad guys against bad guys”, so hat Ruggero Deodato seinen Exploitationstreifen zusammengefasst – uns erwartet purer Nihilismus. Deadato, der mit ULTIMO MONDO CANNIBALE (IT 1977) und CANNIBAL HOLOCAUST (IT 1980) das berühmt berüchtigte Kannibalenfilmgenre maßgeblich geprägt hat, legt mit LA CASA SPERDUTA NEL PARCO kurz darauf einen Horrorfilm vor, der seinen Schrecken vom Amazonas nach New York und von sonnendurchfluteten Außenszenen in düstere Villeninnenräume verlagert.
Doch zunächst beginnt es in den nächtlichen Straßen: Alex (David Hess) vergewaltigt und erwürgt eine Frau. Am nächsten Abend kommt ein Pärchen in seine Autowerkstatt, als er gerade mit seinem treudoofen Kumpel Ricky (der kürzlich verstorbene Italogenre-Madman Giovanni Lombardo Radice) auf eine Party gehen wollte. Nachdem Alex ihr Auto repariert hat, laden ihn die beiden zum Dank auf ihre eigene ein. Hier prallen Welten aufeinander. Punks vs. Yuppies. Ein Reigen der Grausamkeiten beginnt, an dessen Ende das Konzept von Gut und Böse gemäß Deodatos Zitat ins Wanken gerät.
Der sadistische Slasher steht nicht zuletzt auch für eine Filmkultur des Ripoffs, oder zumindest Zitierens, im italienischen Genrekino. Vieles erinnert hier an Cravens Klassiker LAST HOUSE ON THE LEFT (US 1972), nicht zuletzt wegen David Hess, der in beiden Horrorfilmen den auratischen Home-Invader performt.

Luru Archive 35mm: DIE WILDE MEUTE (dt. Fassung, It 1975)

Regie: Marcello Andrei

102 min / ab 18 Jahren

Zum Abschluss von LURU ARCHIVE ein Höllenritt: Pierro (Andy Warhols Stammdarsteller Joe Dallesandro) ist der Kopf einer Jugendbande, der titelgebenden Meute, die durch römische Vororte zieht und dort nicht weniger als eine Schneise der Verwüstung hinterlässt. Enthemmt und von Sadismus getrieben stehen bei ihnen Diebstahl, Vergewaltigung und das von Gejohle begleitete Terrorisieren von Mitbürger:innen auf dem Programm.
Der Bandenhäuptling, der sich gerne über die „Scheißwelt“ da draußen beschwert und von einer großen Gangsterkarriere träumt, statt mit seiner Frau und dem Kind in der beengten Wohnung herumzusitzen, hat nur einen ernstzunehmenden Widersacher außerhalb seiner Truppe: Der ebenso skrupellose Kommissar Cutroni – gespielt vom Italogenre-Liebling Martin Balsam – scheut vor keiner Methode zurück, Pierro und seiner Bande das Handwerk zu legen.
Dass auch die Seite der Gesetzeshüter hier moralisch nicht gut wegkommt, ist eigentlich unüblich für einen Film, der sich zumindest streckenweise dem poliziotteschi zuordnen lässt, das heißt dem schroffen und in seinen Szenerien deutlich „realistischer“ als andere Italofilmgenre anmutende Polizeifilm der 1970er und 80er Jahre. IL TEMPO DEGLI ASSASSINI steht aber auch für die Welle an Jugendkriminalitätsfilmen, die das italienische Kino der Zeit mitprägten und die oftmals wenig Interesse an „Helden“ und gut ausgehenden Stories hatten.